AMB 2018: Zerspanen bleibt maßgebliche Fertigungstechnologie

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28.08.2018

Zerspanen bleibt maßgebliche Fertigungstechnologie


Digitalisierung im Fokus von Ausstellern und Besuchern / Neuen Marktchancen durch innovative Geschäftsfelder / Branche mit guten Prognosen

 

Die bevorstehende AMB wird eine Messe der Superlative werden. Erstmals steht die neue, 15.000 Quadratmeter große Paul-Horn-Halle (Halle 10) auf dem nur drei Gehminuten vom Flughafen und dem S-Bahnhof „Messe“ entfernten Messegelände zur Verfügung. Auf jetzt mehr als 120.000 Quadratmetern zeigen über 1.500 Ausstellerden internationalen Fachbesuchern so viele Innovationen und Weiterentwicklungen wie noch nie – ob spanende und abtragende Werkzeugmaschinen, Präzisionswerkzeuge, Messtechnik und Qualitätssicherung, Roboter, Werkstück- und Werkzeughandhabungstechnik, Industrial Software & Engineering, Bauteile, Baugruppen oder Zubehör.

Der Trend zur Digitalisierung manifestiert sich auch im Messeprogramm. Erstmals findet, neben den bereits etablierten Rahmenveranstaltungen, die Sonderschau „Digital Way“ mit angeschlossenem zweitägigen Kongress statt. Sie informiert, wie Industrieunternehmen mithilfe aktueller Informationstechnologie die Potenziale der Digitalisierung nutzen können.

Voller Optimismus nach Stuttgart

Unternehmen stehen nahezu täglich vor neuen Herausforderungen. Trotzdem sehen die Prognosen weiterhin gut aus, wie Dr. Wilfried Schäfer, Geschäftsführer des VDW Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken, feststellt. Er rechnet wie 2017 erneut mit einem Plus von sieben Prozent auf dann über 17 Mrd. Euro Produktionsvolumen.

Das wirkt sich auch positiv auf die Beschäftigung aus, die Ende letzten Jahres bei rund 72.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (+3,4 Prozent) lag. Die Kapazitäten seien fast vollständig ausgelastet. Dr. Schäfer zu den Gründen: „Die Weltwirtschaft wächst nach wie vor kräftig. Das Bruttoinlandsprodukt soll 2018 nach Expertenmeinung noch stärker steigen als im Vorjahr. Wichtiger Treiber ist die Industrieproduktion. Das wirkt sich auch auf den internationalen Werkzeugmaschinenverbrauch aus, der 2018 um 5,9 Prozent zulegen soll.“

Digitalisierung dominiert Diskussionen

Kaum ein Messestand in Stuttgart wird ohne eines der Schlagwörter Digitalisierung, Vernetzung oder Industrie 4.0 auskommen. Ganz konkret treibt der VDW das Thema auch technologisch voran: mit seiner Brancheninitiative „Industrie 4.0“. Ziel ist es, einen Standard zu erarbeiten und softwaretechnisch zu implementieren, um unterschiedlichste Maschinensteuerungen mit einer gemeinsamen Schnittstelle an übergeordnete IT-Systeme anbinden zu können. Für die Initiative haben sich namhafte Werkzeugmaschinenhersteller, allesamt Aussteller der AMB, an einen Tisch gesetzt und das Konkurrenzdenken überwunden.

Einer von ihnen ist die Heller-Gruppe. Klaus Winkler, Vorsitzender der Geschäftsführung und CEO, nennt die Gründe seines Hauses für die bisher einmalige Kooperation: „Konventionelle Potenziale für Produktivitätssteigerungen gelten als nahezu ausgeschöpft. In „Industrie 4.0“ sehen wir einen Ansatz, den Zustand von Werkzeugmaschinen jederzeit transparent zu machen und gewonnene Informationen mit bereits vorhandenen Daten zu einer zielgerichteten Diagnose auszuwerten.“

Mittlerweile sind auch alle wichtigen Steuerungshersteller mit im Boot – was den flächendeckenden Einsatz sicherstellt. Davon profitieren vor allem kleine und mittelständische Unternehmen, denen der Weg in die digitale Zukunft geebnet wird. Auf der AMB präsentiert der VDW auf einem eigenen Stand im Rahmen der Sonderschau Digital Way und dem angeschlossenen Kongress erste Umsetzungen für den Datenaustausch an Werkzeugmaschinen. In einer Informationsveranstaltung sollen alle VDW-Mitglieder auf den neuesten Stand gebracht werden.

Komplettbearbeitung stark im Kommen

Vor lauter Bits und Bytes droht die greifbare Weiterentwicklung der zerspanenden Fertigung etwas aus dem Blick zu geraten. Dem wird die AMB mit unzähligen neuen und weiterentwickelten Maschinen entgegentreten.
Für Professor Berend Denkena, Leiter des Instituts für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) der Universität Hannover und amtierender Präsident der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik (WGP) zeichnet sich ein Trend zur Komplettbearbeitung ab. „Bauteile sollen möglichst in einer Maschine und von sechs Seiten fertig bearbeitet werden.“

So fänden beispielsweise zunehmend Schleiftechnologien Eingang in klassische Dreh- und Fräsmaschinen, um bestimmte Qualitäten überhaupt noch herstellen zu können. Dies führe auch zum vermehrten Einsatz von Nullpunkt-Spannsystemen, wenn sich ein Maschinenwechsel nicht vermeiden lässt. Zu wenig Beachtung bekommt das Thema Energieeffizienz. Energie sei immer noch zu billig, bedauert Denkena, der vor allem im Bereich Kühlung und Schmierung bis zu 50 Prozent Reduzierungspotenzial schlummern sieht.

Den Trend zu Multifunktionsmaschinen bestätigt Dr. Oliver Gossel, Vertriebsleiter bei Röders, einem Hersteller von Hochgeschwindigkeitsfräsmaschinen: „Wir sind mittlerweile sehr erfolgreich am Markt mit unseren Maschinen für die Fräs- und Schleifbearbeitung.“ Die Grenzen des Machbaren würden ständig weiter hinausgeschoben. Beispiele seien Oberflächengüten bis hin zur Glanzbearbeitung in Stahl und immer höhere Werkstückgenauigkeiten.

Alternative Verfahren eröffnen neue Chancen

Zunehmend werden additive Verfahren in klassische Werkzeugmaschinen als zusätzliches Werkzeug integriert, um in einer Aufspannung Auf- und Abtragen zu können. Roboter übernehmen im Zuge voranschreitender Automatisierung neben ihren hauptsächlichen Handling-Aufgaben auch einfache Bearbeitungsschritte wie das Entgraten. Treffen können sich all diese Technologien in der Steuerung, die immer häufiger alle notwendigen Sprachen spricht.

Axel Boi, Leiter der Produktplanung bei der Chiron-Gruppe, erkennt sogar zusätzliches Geschäft durch additive Verfahren. „Da heute aber bei allen 3-D-Prozessen eine mechanische Bearbeitung der Funktionsflächen erforderlich ist, sehe ich hier mehr Chance als Risiko!“ Oder Werkzeugmaschinenhersteller Starrag: Man nutzt bereits die erweiterten Möglichkeiten neuester Robotergenerationen. Sie würden nicht nur zunehmend zu Automatisierungszwecken eingesetzt, sondern „gleichzeitig zur Erledigung von Hilfsaufgaben in unseren Projekten“, wie Managing Director Dr. Marcus Otto erklärt. Otto weiter: „Da das Handlungsfeld der Roboter immer größer wird, können wir in Einzelfällen die Zerspanung sinnvoll verschlanken und unseren Kunden mittels parallellaufender Hilfsprozesse die notwendigen Effizienzsteigerungen bieten.“ Weitere Aufgaben für Roboter könnten verschiedenste Nachbearbeitungen, das Reinigen sowie das Prüfen von Werkstücken sein.

Keine Angst vor Elektromobilität

Die aufkommende Elektromobilität führte anfangs zu wahren Horrorszenarien für die Zerspanungsindustrie. Elektromotoren bestünden im Vergleich zu Ottomoren aus nur wenigen, vergleichsweise simplen Teilen. Nach genauerer Betrachtung hat sich die Lage entspannt. Einmal abgesehen davon, dass Experten noch auf Jahrzehnte mit dem Einsatz von Ottomotoren rechnen, erfordert die Hybridisierung vieler Fahrzeuge, also die Ausstattung mit zwei Antriebsarten, sogar mehr zerspante Teile. Und bei reinen Elektrofahrzeugen führt das sinkende Geräuschniveau dazu, dass die verbleibenden Teile umso exakter ausgeführt werden müssen, um nicht unangenehm aufzufallen. Die Folge: Die Werkzeugmaschinen müssen noch engere Toleranzen herstellen können. Ein klarer Punktsieg für Hersteller von Hightech-Maschinen.

Nicht nur in der Automobilindustrie, auch in der Luft- und Raumfahrt und der Energiegewinnung werden zunehmend neue Werkstoffe eingesetzt – sei es, um Bauteile leichter zu machen oder um sie gegen steigende Beanspruchung zu wappnen. Für die Bearbeitung solcher Teile, deren Zerspanraten oft über 90 Prozent betragen, würden deutlich höhere Schnittgeschwindigkeiten erforderlich, ist man beim japanischen Werkzeugmaschinenhersteller Yamazaki Mazak überzeugt. Das setze ein perfektes Zusammenspiel von Werkzeugen und Maschine voraus. Der verwindungssteife Gussrahmen und hohe Beschleunigungswerte neuester Mazak-Baureihen sorgen für „überragende Positionier- und Bearbeitungsgenauigkeit“ und „hochpräzise Resultate“.

Der in der Automobilindustrie stark verankerte Werkzeugmaschinenhersteller Grob kaufte Anfang vergangenen Jahres mit DMG meccanica sogar einen führenden Hersteller von Maschinen und Anlagen für die Produktion von Statoren für Elektromotoren, Alternatoren und Generatoren. Nach eigenen Angaben arbeitete Grob bereits an mehreren Projekten der Elektromobilität und verstärkte mit diesem Schritt seine Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in Zukunftstechnologie. Man habe nun alle wesentlichen Herstellungsprozesse und verfahren der Elektroantriebe für die Automobilindustrie und deren Zulieferer unter einem Dach und könne diese weltweit auch für die Serienfertigung liefern.

Auch bei der Chiron-Gruppe ist man gelassen. Dr. Markus Flik, Vorsitzender der Geschäftsführung der Chiron-Group: „Für die Elektromobilität werden spezielle Bauteile für neue Baugruppen und Aggregate wie Scroll-Kompressoren, elektromechanische Bremskraftverstärker oder elektrische Achsantriebe benötigt.“ Gleichzeitig nehme der Bedarf an Turboladern und damit an Verdichterrädern aus Titan weiter zu. „Da Titan die Werkzeuge viel schneller verschleißt als Aluminium, müssen hier Schwesterwerkzeuge eingesetzt werden, um einen produktiven Fertigungsprozess zu ermöglichen. Hierfür bietet wir mit entsprechenden Maschinen-Baureihen und Automatisierungssystemen optimale Lösungen.“

Veranstaltungstipp: Einerseits kann es enormes Einsparungspotenzial bringen, digitale Technologien dafür einzusetzen, Prozesse effizienter, Produkte intelligenter oder Märkte direkter und gezielter als bisher gedacht adressieren zu können. Andererseits werden diese Potenziale auch nur dann zu heben sein, wenn Nutzen und Aufwand von Digitalisierungsmaßnahmen in vernünftigem Verhältnis bleiben, alle notwendigen Kompetenzen zur Verfügung stehen oder der laufende Betrieb durch die Maßnahmen nicht mehr als notwendig beeinträchtigt wird. Lösungsansätze will die Vortragsreihe „Den Wandel aktiv gestalten oder abwarten?“ am 20.09.2018 von 09.30 bis 12.00 Uhr in der Region Stuttgart Lounge bieten.

Bild & Text: messe-stuttgart.de/amb