SMM 2020: Maritime Energiewende: SMM mit grüner Agenda

Hamburg Messe und Congress / Nicolas Maack
Hamburg Messe und Congress / Nicolas Maack

Wirksamer Klimaschutz ist die größte Herausforderung unserer Zeit – so auch für die maritime Industrie. Die Weltleitmesse SMM weist vom 8. bis 11. September 2020 mit ihrem Leitmotiv ‚Driving the maritime transition‘ der maritimen Branche den Weg zu einer emissionsarmen Schifffahrt. Im Fokus stehen umweltfreundliche Antriebe und alternative Brennstoffe.

Die Forderung kommt von höchster Stelle: „Ohne Nachhaltigkeit können wir in Zukunft nicht überleben. Wir müssen das Schifffahrtsgeschäft nachhaltiger betreiben und herausfinden, welcher der alternative Brennstoff der Zukunft ist“, sagt Kitack Lim, Generalsekretär der International Maritime Organization (IMO). Die Schifffahrtsbranche stellt sich dieser Aufgabe. So hat die International Chamber of Shipping (ICS) kürzlich einen milliardenschweren Fonds ins Leben gerufen, um die Forschung zu alternativen Brennstoffen voranzubringen. „Die Schifffahrt allein kann die Herausforderung nicht meistern – das liegt außerhalb unserer Möglichkeiten. Aber wir wollen eben nicht die Hände in den Schoß legen und abwarten“, sagt Alfred Hartmann, Präsident des Verbands Deutscher Reeder. Unterstützung kommt dabei aus der Industrie. Motoren, Antriebssysteme, Energietechnik: Die Unternehmen arbeiten bereits mit Hochdruck an emissionsarmen Technologien. Ihre innovativen Produkte und Konzepte präsentieren sie im September auf der SMM – unter anderem in der „Green Propulsion“ Halle A5 und entlang der ‚Green Route‘. Die Weltleitmesse der maritimen Wirtschaft bildet den aktuellen Stand der Forschung ab und gibt damit wichtige Impulse für Umwelt- und Klimaschutz. „Es gehört zur DNA der SMM, bei der maritimen Energiewende Vorreiter zu sein“, sagt Claus Ulrich Selbach, Geschäftsbereichsleiter Maritime und Technologiemessen bei der Hamburg Messe und Congress GmbH (HMC). Dafür stehe auch das neue Leitmotiv ‚SMM 2020 – Driving the maritime transition‘, das vier Segmente umfasst. Eines davon ist die ‚Green Transition‘ mit dem Schwerpunkt auf umweltfreundlichen Lösungen – vom Ballastwassermanagement über spezielle Rumpfbeschichtungen bis zu komplexen Hybridantrieben.

Der Stoff, aus dem die Zukunft ist
Das Ziel ist ambitioniert: Bis 2050 will die Schifffahrt ihren CO2-Ausstoß halbieren. Bis zum Jahr 2100 sollen Schiffe völlig emissionsfrei unterwegs sein. Als tragfähige Brückentechnologie gilt der Einsatz von LNG – das belegt der aktuelle SMM Maritime Industry Report (MIR). Demnach plant knapp die Hälfte der Reeder bei Investitionen mit Flüssigerdgas. Vorbilder sind Kreuzfahrtschiffe wie die ‚AIDAnova‘ und die ‚Costa Smeralda‘. Mit der Bestellung einer Neubauserie von neun LNG-betriebenen 23.000 TEU Megaboxern hat die Container-Reederei CMA CGM Maßstäbe gesetzt. Die Antriebstechnik liefert das Unternehmen Winterthur Gas & Diesel Ltd. (WinGD). Was die Nachrüstung auf LNG bringt, lotet Mitbewerber Hapag-Lloyd aktuell beim Frachter ‚Sajir‘ aus. Derzeit stehen knapp 200 Schiffe mit dem sauberen Antrieb in den Auftragsbüchern der Werften. Der neue Schwefelgrenzwert im Rahmen von ‚IMO 2020‘ lässt sich damit leicht einhalten. Doch auch LNG ist ein fossiler Brennstoff. Um das Zero-Emission-Ziel zu erreichen sind deshalb weitere Technologiesprünge gefragt. „Innovation ist unerlässlich, wenn wir die ‚vierte Propulsion-Revolution‘ vorantreiben wollen“, sagt der ICS-Vorsitzende Esben Poulsson.

Die Quelle des Fortschritts
Viel Potenzial attestieren Experten der Batterie- und Brennstoffzellentechnik. Noch sind rein elektrische Fahrten bislang nur im kleinen Maßstab und auf kurzen Strecken möglich. So pendeln etwa zwischen Helsingborg (Schweden) und Helsingör (Dänemark) täglich zwei E-Fähren der Reederei ForSeas. Im Hafen versorgt sie ein vollautomatischer Roboterarm des Schweizer Technologiekonzerns ABB mit Strom. Im Projekt ‚Pa-X-ell2‘ forschen Partner wie die Meyer Werft und Thyssen Krupp Marine Systems am maritimen Einsatz der Brennstoffzelle. 2021 geht die Technik auf der ‚AIDAnova‘ in den Praxistest. Zudem feiert ein Klassiker sein Comeback: die Windenergie. So lässt die Reederei Scandlines ihre Hybridfähre ‚Copenhagen‘ künftig mit Unterstützung eines 30 Meter hohen Flettner-Rotors fahren. „Inzwischen experimentiert eine Reihe von Unternehmen und Konsortien mit windgestützten Antrieben für die kommerzielle Schifffahrt. Mehrere Technologien haben ihre Machbarkeit bewiesen, andere sind auf dem Weg dahin“, sagt Hasso Hoffmeister, Senior Principal Engineer beim DNV GL. Die Klassifikationsgesellschaft hat auf diese Entwicklung reagiert und ihr Regelwerk entsprechend ergänzt.

Die Frage nach dem Game-Changer
Wie sich Weltraum- und Meeresforschung erfolgreich verbinden lassen, zeigt beispielhaft die Kooperation, die Oldendorff Carriers als weltweit führende Massengutreederei mit dem renommierten Center for Bits and Atoms des Massachusetts Institute of Technology (MIT) eingegangen ist. Dabei sollen Erfahrungen aus der Raumfahrt genutzt werden, um die hydrodynamische Effizienz der Schiffe zu steigern. „Noch ist offen, welche Technologie der Game-Changer wird. Auf der SMM haben Entscheider die einzigartige Chance, sich einen Überblick über die gesamte Brandbreite der technischen Möglichkeiten zu verschaffen“, sagt Claus Ulrich Selbach. Als größte maritime Innovationsplattform leiste die SMM einen wichtigen Beitrag, damit die emissionsfreie Schifffahrt Realität werden könne. Auch das parallel stattfindende Konferenzprogramm steht im Zeichen der maritimen Energiewende. Beim gmec (global maritime environmental congress) diskutieren renommierte Experten aus aller Welt in drei Panels über aktuelle Herausforderungen und visionäre Ideen. Dabei geht es etwa um die ersten Erfahrungen mit IMO 2020 und um die Entwicklung alternativer Brennstoffe. Spannende Debatten verspricht die Podiumsdiskussion zum Thema Klimaschutz. Hier treffen NGO-Vertreter wie Sönke Diesener vom NABU auf Verantwortliche aus der Schifffahrt.

 

Bild & Text: smm-hamburg.com