Ausgabe zur FACHPACK 2019
6 Ausg.Nr._14/2019 Biobasierte Kunststoffe B iobasierte Kunststoffe sind eine wichtige Kom- ponente für eine nachhal- tigereWirtschaft. Noch haben sie einen geringen Anteil amVerpac- kungsaufkommen. Die Zeichen der Zeit stehen aber zu ihren Gunsten. Biokunststoffe sollen einen we- sentlichen Beitrag dazu leisten, die Abhängigkeit von erdölbasier- ten Produkten zu reduzieren und den CO₂-Ausstoß zu verringern. Das war beim FNR Wissensforum (Fachagentur Nachwachsende Roh- stoffe e.V.) auf der FachPack 2018 zu hören. Bislang ist der Anteil der Biokunststoffe am gesamten Kunststoffmarkt aber noch sehr gering. Derzeit haben biobasierte Polymere eine Gesamtproduk- tionsmenge von 7,5 Millionen Tonnen und damit 2% der Pro- duktionsmenge petrochemischer Polymere. Laut einer Studie des nova-Instituts hat sich die Produk- tion von biobasierten Polymeren in den letzten Jahren dennoch deutlich professionalisiert und dif- ferenziert. Demnach gibt es mitt- lerweile für praktisch jede Anwen- dung eine biobasierte Alternative. Wichtige Anwendungsgebiete für biobasierte Verpackungskunststof- fe, bezogen auf die Tonnage, sind Tragetaschen, Obst- und Gemüse- beutel, Getränkeflaschen, Flaschen für Wasch- und Reinigungsmittel, Behälter für Kosmetika, Service- Verpackungen. Biokunststoffe als Teil der Bioökonomie In den vergangenen Jahren gab es verstärkt Anstrengungen in Forschung und Industrie, Drop- In Lösungen, die chemisch nicht von ihren fossilbasierten Pen- dants zu unterscheiden sind, und chemisch neuartige biobasierte Kunststoffe zu entwickeln bzw. in großem industriellem Maßstab herzustellen. Denn, noch haben die konventionellen Kunststoffe ihren biobasierten „Geschwis- tern“ Einiges voraus: Sie sind über Jahrzehnte in die Prozess- kette der Olefinverarbeitung ein- gebunden und damit Teil einer hocheffizienten Herstellung und Veredelung. Um sich erfolgreich etablieren zu können, benötigen biobasierte Kunststoffe deshalb eine gesamte Prozesskette inner- halb einer Bioökonomie, die für die Produktion der chemischen Grundstoffe sorgt. Die Bioökono- mie setzt dabei sowohl auf nach- wachsende Rohstoffe als auch auf biobasierte Prozesslösungen. Leitprinzip der Bioökonomie ist dem Bundesministerium für Bil- dung und Forschung zufolge, der Aufbau einer Kreislaufwirtschaft, die im Sinne von Ressourcenef- fizienz und Nachhaltigkeit eine bestmögliche Verwertung sowie Mehrfachnutzung von Rohstoffen und Stoffströmen ermöglicht. Verpackung ist Hauptabnehmer von Biokunststoffen Beim FNR Wissensforum während der FachPack 2018 nannte Dr. Harald Käb von narocon Innovati- onsberatung die Lebensmittelher- steller Pepsi, Danone und Nestlé als Beispiele aus der Praxis. Die Unternehmen wollen gemeinsam Flaschen aus 100% biobasiertem PET entwickeln. In den Super- und Discountermärkten fände man au- ßerdem bereits viele Verpackun- gen, die aus biobasierten Kunst- stoffen und Rezyklat hergestellt wurden (z.B. Getränkeflaschen aus Bio-PET, Folien aus Bio-PE, biobasiertemHDPE oder Zellulose, Joghurtbecher aus biobasiertem PLA). Auch in der Verpackungs- logistik gibt es Bestrebungen, Kunststoffbehältnisse aus bioba- sierten Materialien einzusetzen. So hat WALTHER Faltsysteme eine biobasierte und wiederverwert- bare RFID-Faltbox für automa- tisierte Intralogistik und Liefe- rantentransporte im Programm. Dem Hersteller zufolge sind 100 Umläufe möglich und die Boxen seien zwei bis drei mal wiederver- wertbar. Noch fehlen Standards Dennoch seien auch Biokunststof- fe „nur“ Kunststoffe, betonte Nuse Lack-Ersöz von der Hochschule Hannover, Institut für Biokunst- stoffe und Bioverbundwerkstoffe (IfBB), während des FNR Wissens- forums. Auch bei biobasierten Polymeren müssen – wie bei erd- ölbasierten Polymeren – Additive eingesetzt werden, um die Funk- tionalität und Verarbeitbarkeit zu gewährleisten, bestätigt auch Dr. Frank Welle, Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpa- ckung (IVV), Freising. In der Regel sind dies dieselben Additive wie bei erdölbasierten Polymeren. Spezielle Additive ausschließlich für biobasierte Polymere seien nicht am Markt. Lack-Ersöz be- mängelt zudem, dass es für Nach- haltigkeitsbewertungen von Bio- kunststoffen derzeit noch keine standardisierten Regelwerke gibt. Sie empfiehlt deshalb eine harmo- nisierte Vorgehensweise für kon- ventionelle Kunststoffe und Bio- kunststoffe in Europa, um eruieren zu können, wo Vor- und Nachteile bestehen. Ihrer Auffassung nach sind Biokunststoffe ebenso zu- kunftsträchtig und nachhaltig wie konventionelle Kunststoffe. Beide brächten Vor- und Nachteile mit sich. Das Problem läge vielmehr im falschen Umgang mit dem Kunststoffabfall. Recycling von Biokunststoffen Dr. Harald Käb sieht in diesem Zusammenhang große Chancen, Verpackungskunststoffe, die aus Erdöl gewonnen werden, durch solche zu ersetzen, die aus nach- wachsenden Rohstoffen wie Agrar-, Rest- und Abfallstoffen, darunter Holz, Rohrzucker, Algen oder den Schalen von Meerestie- ren erzeugt werden. Gerade, weil mit dem neuen Verpackungsge- setz, das am 01.01.2019 in Kraft trat, nicht oder schlecht recycel- bare Verpackungen teurer gewor- den sind. Dr. Käb sprach von einer New Plastics Economy, also dem Übergang von fossilen zu erneu- erbaren Rohstoffen und Rezykla- ten und vergleicht dies mit dem Wandel der Energiewirtschaft und des Transportwesens. Dabei begünstige die zunehmende Be- deutung der Kreislaufwirtschaft in der Politik recycelbare Verpa- ckungen. Ein Vorteil für die Wiederverwer- tung ist, dass Kunststoffe, die chemisch identisch zu Kunststof- fen aus fossilen Rohstoffen sind (Drop-In-Materialien), sich beim Recycling wie ihre petrochemi- schen Pendants verhalten und gemeinsam mit ihnen verwertet werden können. Wäre eine bio- basierte recycelbare Verpackung, die anteilig aus Rezyklat herge- stellt wurde, das wiederum bio- basiert ist dann das ultimative Ziel? Laut Dr. Käb ist das Verpa- ckungsgesetz (§21) ein wichtiges Vehikel zur Umsetzung dazu. Wie sich das Verpackungsgesetz in der Praxis bisher auswirkt, wer- den wir im nächsten Artikel im Newsroom der FachPack genauer beleuchten. Text & Bild: NürnbergMesse GmbH Messezentrum D-90471 Nürnberg Die grüne Zukunft der Verpackung
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