Ausgabe zur MEDICA 2019
14 Ausg.Nr._22/2019 Intensivmedizin Fraunhofer-Technik auf der MEDICA 2019: Intensivmedizin für Frühgeborene Sanftere künstliche Beatmung I n der Intensivmedizin ist die künstliche Beatmung häufig das letzte Mittel, um das Le- ben eines Patienten zu retten. Leider kann sie mit akuten oder chronischen Lungenschädigun- gen einhergehen – insbesondere wenn das Beatmungsgerät ge- gen den Atemimpuls des Patien- ten arbeitet. Forscherinnen und Forscher der Mannheimer Fraun- hofer-Projektgruppe für Auto- matisierung in der Medizin und Biotechnologie entwickeln einen neuartigen Sensor, mit dessen Hilfe gerade bei Frühgeborenen und Kindern die Beatmung sanf- ter gestaltet werden soll. Ein Pro- totyp des Sensors ist vom 18. bis 21. November 2019 auf der MEDI- CA in Düsseldorf zu sehen (Halle 10, Stand G05). In der intensivmedizinischen Pflege von Frühchen ist eine künstliche Beatmung aufgrund der unterentwickelten Lunge häu- figer notwendig. Dabei können verschiedene Komplikationen auftreten: Ein Volutrauma ent- steht, wenn das Beatmungsgerät zu viel Luft in die kleine Lunge presst. Zu einem sogenannten Barotrauma kommt es, wenn der Apparat Luft mit zu hohem Druck einleitet, besonders wenn das Frühchen eigentlich gerade aus- atmen möchte. Um beides zu ver- meiden, gehen die Ärzte bei den Kleinsten besonders vorsichtig vor. Beispielsweise wird der Tu- bus nicht wie beim Erwachsenen luftdicht mit der Luftröhre abge- dichtet. So kann immer ein wenig Luft entweichen und das Risiko ei- nes Traumas wird verringert. Die optimale Beatmung der kleinen Patienten wird dadurch jedoch erschwert. Jan Ringkamp und Dr. Jens Lan- gejürgen von der Fraunhofer-Pro- jektgruppe für Automatisierung in der Medizin und Biotechnologie PAMB des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Au- tomatisierung IPA arbeiten des- halb an einem sanfteren Verfah- ren. Thorax-Monitoring heißt der kleine Apparat, den die Forscher entwickelt haben. »Im Prinzip ist das ein Messgerät, das erkennt, ob ein künstlich beatmeter Pati- ent gerade ein- oder ausatmen möchte«, erklärt Ringkamp. »Da- mit wäre ein Beatmungsgerät in der Lage, sich ohne Verzögerung an die Wünsche des Patienten an- zupassen. Keine Volu- oder Baro- traumata mehr und eine optimale Beatmung – so die Vision.«, er- gänzt Langejürgen. Thorax-Monitoring erkennt den Wunsch des Patienten Das Thorax-Monitoring verwendet zwei Antennen, die sich auf oder neben dem Brustkorb des Pati- enten anbringen lassen. Die eine sendet eine elektromagnetische Welle aus, die andere empfängt sie. Dabei machen es sich die Wissenschaftler zunutze, dass Muskeln, Fett und Gewebe an- dere elektrische Eigenschaften besitzen als die Atemluft in der Lunge. Klingt kompliziert, ist aber ganz einfach: Beim Einat- men füllen sich die Lungenflügel mit Luft und dehnen sich aus. In der Luft kommt die elektromag- netische Welle schneller voran als im Gewebe. Beim Ausatmen ist es umgekehrt: Die Lungenflü- gel fallen in sich zusammen, die elektromagnetische Welle muss sich vor allem durch Gewebe kämpfen und kommt langsamer vorwärts. Es gibt also einen deutlich messbaren Unterschied zwi- schen Ein- und Ausatmen, den das Thorax-Monitoring regis- triert. Das funktioniert auch bei Frühchen und anderen Pa- tienten, die nicht selbst atmen können, dies aber versuchen. »Selbst wenn sich die Lunge nur minimal ausdehnt oder zu- sammenzieht, wirkt sich das auf den Signalverlauf aus. Wir kön- nen im Labor nachstellen, dass wir Änderungen deutlich unter einem Milliliter identifizieren können«, erklärt Ringkamp. »Thorax-Monitoring erkennt also sozusagen den Wunsch des Patienten und kann das Beat- mungsgerät anweisen, ihn da- bei zu unterstützen. Ein Vorteil unseres Ansatzes besteht darin, dass wir den Patienten hierfür nicht berühren müssen. Dies ist gerade bei der empfindlichen Haut von Frühchen wichtig«, so Langejürgen. Einen frühen Prototyp haben die Wissenschaftler bereits ge- baut und getestet. Im November stellen sie ihn auf der MEDICA dem Fachpublikum in Halle 10 am Stand G05 vor. Zu sehen ist auf dem Messestand eine kleine Puppe, die an einen Beatmungs- beutel angeschlossen ist und von Besuchern beatmet werden kann. Der Körper der Puppe ist mit Wasser gefüllt, ihre künstli- che Lunge verdrängt das Wasser im Körper, auf ihrem Brustkorb sind die beiden Antennen ange- bracht. Ein Bildschirm zeigt das verarbeitete Signal des Thorax- Monitoring. Text & Bild: Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V. Hansastraße 27 c D-80686 München © Fraunhofer IPA Schema des Thorax-Monitors im Betrieb: Die Atmung des Frühchens wird berührungslos gemessen. Diese Daten sollen zusammen mit den übrigen Messwerten des Beatmungsgeräts zu einer schonenden und effizienteren Beatmung führen.
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