Ausgabe zur LOGIMAT 2020

34 Ausg.Nr._02/2020 Optimierungspotenzial I ntelligente, vernetzte Tech- nologien, mehr und bessere Daten, Hardware und Soft- warelösungen, die Entscheidun- gen in Echtzeit ermöglichen: Die Logistik und das Supply Chain Management befinden sich der- zeit im Umbruch. Während je- doch der grundsätzliche Weg in Richtung mehr Digitalisierung und Datennutzung nicht zur Dis- kussion steht, ist die Frage nach dem »Wie« nur teilweise gelöst. Mit welchen Innovationen und Strategien kann die Industrie also auf den anhaltenden Fach- kräftemangel, die wachsende Konkurrenz aus der Start-Up- Economy oder auf die Herausfor- derungen der digitalen Transfor- mation in Sachen Organisation und Geschäftsmodell reagieren? Über 250 Logistikexperten, Start- ups und Entscheider der Bran- che informierten sich am 19. und 20. November 2019 auf dem 10. Logistik Forum Nürnberg des CNA e.V. und der angegliederten Logistics Innovation Night der Arbeitsgruppe Supply Chain Services des Fraunhofer IIS über den aktuellen Stand in Sachen Forschung und Technik in ihrer Branche. Digitalisierung: Chance und Herausforderung Dass die Digitalisierung Chancen wie Herausforderungen gleicher- maßen mit sich bringt, wurde von Anfang an deutlich, als Winfried Rockensteiner, Bosch Powertrain Solutions, und Prof. Dr. Alexan- der Martin, Leiter des ADA Love- lace Centers for Analytics, Data an Applications, in den Keynotes je- weils aus ihrer Sicht erläuterten, wie Organisationen und Prozesse heute innoviert werden sollten. Laut Rockensteiner brauche es dafür im Unternehmen Kreativi- tät, aber auch ein Bewusstsein für die Komplexität der Aufgabe, die mit der Einführung bzw. Um- setzung einer in der Regel techno- logiebasierten Innovation einher- gehe. Dabei stehe vor der Frage nach der richtigen Technologie zuerst die Auswahl der konkreten Anwendung. Wesentliche Voraus- setzung für den Erfolg eines Digi- talisierungsprojekts seien dann möglichst standardisierte Prozes- se. Als weiteren wichtigen Player im Innovationskontext machte Rockensteiner die Mitarbeiter aus, die es mitzunehmen und einzubinden gelte, um einerseits Akzeptanz herzustellen und an- dererseits das gesamte kreative Potenzial nutzen zu können. Prof. Martin ergänzte als Experte für mathematische Optimierung diesen Prozessansatz um die Sicht der Daten – je digitalisierter die Prozesse, je mehr und qua- lifiziertere Daten innerhalb wie außerhalb der Unternehmen zur Verfügung stünden, desto bes- sere Prognosen und Ergebnisse lieferten richtig ausgewählte Analytics- und KI-Verfahren; vor allem vor dem Hintergrund der enormen Schnelligkeit heutiger Algorithmen und Software: Dies bringt laut Martin großes Opti- mierungspotenzial mit sich, das über die reine Digitalisierung von Prozessen hinausgeht. Aber dafür würden Analytics- Experten benötigt, die nicht nur einschätzen könnten, welche An- wendungen mit KI zu optimieren oder welche Daten dafür notwen- dig sind, sondern die auch die Sinnhaftigkeit der ausgewählten Methoden bewerteten. Und hier liege ein großes Problem: Durch die wachsende Komplexität der Fragestellungen und damit auch der mathematischen Lösungen seien diese Lösungen oft nicht einfach erklärbar. Dadurch fehle das Vertrauen in das Analytics- Projekt. Martin plädiert deshalb für neue Formen der Zusammen- arbeit zwischen Industrie und Forschung, um diese Lücke zu schließen. Auch in der anschließenden Po- diumsdiskussion herrschte Ei- nigkeit darüber, dass die neue Plattform-Ökonomie die Logistik- branche verändert. So sind es die Daten, die laut Prof. Dr. Alexander Pflaum, Universität Bamberg und Arbeitsgruppe Supply Chain Ser- vices des Fraunhofer IIS, die neue Welt von der alten unterscheiden – sie wären heute der eigentliche Mehrwertbringer. Dies geht laut Sven Wosny, Schnellecke Digital Innovations, eng mit Änderungen in der Organisation einher; die Entscheidung für jede Form der Digitalen Transformation müsse aber immer von ganz oben ge- troffen werden; nur dann könne sie alle anderen Ebenen bis hin zum einzelnen Mitarbeiter durch- dringen. Der Mensch und die Mitarbeiter sind für Franz Lesch, Gebhardt Logistic Solutions, das zentrale Element bei der erfolg- reichen Umsetzung von Digitali- sierungsprojekten. Es müsste im- mer klar sein, welche Bedeutung die Änderungen für den Einzelnen hat – dies gelte übrigens auch für den Kunden: Dieser könne nur vom neuen Service überzeugt werden, wenn das Unternehmen seine Prozesse so transparent wie möglich gestalte. Der Start-up-Unternehmer Marc Schmitt von Evertracker warf ein, dass es weniger um die Frage nach dem »Wie« der Prozess- digitalisierung gehe als um die Gefahr des Kompetenzverlustes: Schon heute könnten intelligente Algorithmen Abläufe simulieren und so durch lernende Systeme immer bessere Prognosen schaf- fen, sodass zukünftig immer mehr Daten und Services der Lo- gistiker durch KI ersetzt werden würden. Die Logistiker müssten sich deshalb bereits heute viel grundsätzlicher mit ihren eige- nen Kompetenzen und Assets im KI-Zeitalter auseinandersetzen. Die Themenfelder, die am zweiten Kongresstag neben den Plenums- vorträgen in vier zusätzlichen Slots beleuchtet wurden, waren Urbane Logistik, Intralogistik, Straßentransport und Handelslo- gistik.  Text & Bild: Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS Am Wolfsmantel 33 D-91058 Erlangen Nachbericht Logistik Forum Nürnberg 2019 »Innovationen – anwendbar und realistisch« »Dies bringt laut Martin großes Optimierungspotenzial mit sich, das über die reine Digitalisierung von Prozessen hinausgeht.«

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